Projekt Visitenkarte
Das sogenannte "Projekt Visitenkarte" war ein städtebauliches Großprojekt in Ludwigshafen. Es wurde im Februar 1959 offiziell vom Stadtrat genehmigt und mit der Umsetzung begonnen. Der Deutsche Städtetag formulierte 1954 in seinen "20 Grundsätzen des Städtebaus" die Forderung zur Trennung der Verkehre. So zum Beispiel durch Hochstraßen, Umgehungsstraßen, Brücken oder Fußgängertunnel. Daran orientierten sich die Ludwigshafener Planer, Ludwigshafen galt zwischenzeitlich als fortschrittlichste Stadt der Bundesrepublik.
Eigene Darstellung. Stand 10/2025
Repräsentative Umgestaltung der Innenstadt
Die Innenstadt wird seitdem in Nord-Süd-Richtung von einer Fußgängerzone durchzogen. An deren Enden entstanden sogenannte "Pole", das Rathaus-Center im Norden und die Walzmühle im Süden. Am Jubiläumsplatz, heute Berliner Platz, wurde eine Kahlschlagsanierung vorgenommen und als Tor zur Stadt zahlreiche Neubauten errichtet. Darunter auch die sogenannte Tortenschachtel, die heute abgerissen ist.
Es gab durchaus Widerstand in der Bevölkerung. Die Bürger wünschten sich vor allem eine ruhige Grünanlage als Stadtmitte, und kein Einkaufszentrum.
Verlegung des Hauptbahnhofs
Der alte Hauptbahnhof bestand als Kopfbahnhof anstelle des heutigen Rathaus-Centers. Mit dem Projekt Visitenkarte wurde dann die Umverlegung beschlossen, wegen Städtebaulicher Trennung und einer allgemeinen Unpraktikabilität im Bahnbetrieb. Man könnte also sagen, Ludwigshafen war ein Vorläufer von Stuttgart 21.
Die Baukosten beliefen sich statt geplanten 90 mio. DM auf 300 mio. DM.
Der Neue Hauptbahnhof Ludwigshafens wurde im Jahr 1969 als Dreiecksbahnhof eröffnet und befindet sich westlich der Innenstadt. Er wurde damals als "Modernster Bahnhof Europas" gefeiert und war das Prestigeobjekt der Stadt schlechthin. Unteranderem wegen seines Futuristischen Looks. Wabenförmige Bauten und Zeitgenössische Betonoptik bestimmen das Bild. Im Zentrum des Dreiecks wurden die Pfeiler für die neue Pylonbrücke der Hochstraße Süd errichtet. Die Gleise sind erreichbar über barrierefreie Fußgängertunnel. Ein moderner Bahnhofsvorplatz wurde errichtet und die Innenstadt wurde über eine Fußgängerzone mit dem Bahnhof verbunden. Hier befinden sich auch die Zugangspavillions zur U-Straßenbahn.
Heute verfällt der Bahnhof zusehends, aus den früheren Blumenbeeten sprießt Unkraut, Bahnsteige sind zugewachsen und aus den Unterführungen quillt Wasser. Aufgrund der S-Bahn-Strecke entlang der Innenstadt bis Mannheim wird er, auch wegen seiner Abseitslage, kaum noch genutzt.
Oben: eigene Aufnahmen
unten: Bild 1, 3-4: rnv , Bild 2: Wikipedia von Thomas Römer
Rathaus-Center
Nachdem Der Hauptbahnhof erfolgreich verlegt wurde, war endlich Platz geschaffen für eine neue Stadtmitte. Man errichtete das Rathaus-Center, den Gebäudekomplex, der mit seinem 72m hohen Rathausturm das Gegenstück zum 101m hohen Friedrich-Engelhorn-Hochhaus der BASF (2014 abgerissen) sein sollte. Das Rathaus-Center sollte den "Nordpol" der innerstädtischen Fußgängerzone bilden, während die Walzmühle am Berliner Platz der "Südpol" sein sollte. Der Architekt war der Bonner Ernst van Dorp, der als Sieger eines Wettbewerbs hervorging. Ursprünglich sollten 3 Türme errichtet werden, diese ließen sich aber nicht durchsetzen und so wurde die Planung reduziert. 1979 eröffnete das Gebäude nach nur 2 Jahren Bauzeit.
Im obersten Geschoss des Turm gab es den Rathaussaal, das Stadtparlament. Ebenso waren im Gebäude ein Stadtmuseum, ein großes Einkaufszentrum und zahlreiche Parkhäuser. Die Parkdecks waren übrigens nach US-Vorbild direkt von den Hochstraßen erreichbar. Rund um den Giganten dienten große Wasserflächen und Promenaden der Entspannung. Im Keller befindet sich zudem bis heute die U-Bahn-Station Rathaus.
2019 kaufte die Stadt Ludwigshafen das Center für 42,9 mio. €. Der Abriss wurde wegen Unwirtschaftlichkeit 2020 beschlossen und sollte bereits 2024 abgeschlossen sein. Kosten belaufen sich nun auf 80 mio. statt 50 mio. Euro.
Zum 1. Januar 2022 wurde das Einkaufszentrum geschlossen. Das gesamte Rathaus-Center mit Hochstraße Nord werden im Zuge der Stadtsanierung City West abgerissen. Der Abriss am Rathaus-Center begann bereits 2022, das Entfernen der Vorhangfassade ist schon abgeschlossen.
Oben :Bild 1-4: WOW Ludwigshafen, Bild 5-7: Mannheimer Morgen
Unten: Eigene Aufnahmen
Bau einer U-Bahn
Im Rahmen der Verkehrstrennung sollte auch eine U-Bahn mit 5 Stammstrecken errichtet werden. Im Betrieb war bloß ein kurzer Tunnel Nordwestlich der Innenstadt, der 2008 wegen geringer Benutzung geschlossen wurde.
Hochstraßen
Das Konzept beinhaltete die Errichtung von Hochstraßen nördlich und südlich der Innenstadt. Zeitgemäß war es, Individualverkehr und Fußgänger zu trennen. Begonnen wurde mit dem Bau der neuen Kurt-Schumacher-Brücke über den Rhein. 1959 wurde der erste 900m lange Abschnitt vom damaligen Verkehrsminister Seebohm eröffnet. Durch diesen Durchgangsverkehr wurde Ludwigshafen nur zum Umriss neben der Autobahn auf dem Weg nach Mannheim.
Heute sind sie aus verschiedenen Gründen aus der Zeit gefallen und werden entweder abgerissen oder saniert.
Eigene Bilder und Darstellungen